
Wiesbaden – Das größte Lob, statistisch unterfüttert, kam vom Gegner. „So wenig Tore haben wir schon lange nicht mehr geworfen“, staunte Gilles Lorenz nicht schlecht über die bescheidene Ausbeute seiner Mannschaft. Ganze 21 Treffer hatte die ESG Gensungen/Felsberg im Spitzenspiel der Handball-Regionalliga Gastgeber Breckenheim/Wallau/Massenheim gewährt – die wenigsten in der bisherigen Amtszeit des langjährigen HSG-Trainers als Sportlicher Leiter (zweite Saison).
Der legte noch respektvoll nach: „Gensungen hat unserem Druck eindrucksvoll stand gehalten.“ Am größten war dieser nach 50 Minuten, als Jakob Kiedrowicz die 21:20-Führung für den Verfolger erzielte, Gensungens zwischenzeitlicher 16:11-Vorsprung (33.) nur noch Geschichte war. Doch der Spitzenreiter reagierte wie ein Champion: mit einem imposanten 8:0-Lauf zum umjubelten 28:21-Erfolg in der Höhle des Löwen.
Kein Zufallsprodukt. Von der Bank personell eingeleitet, auf dem Feld taktisch und spielerisch perfekt umgesetzt. Aus dem „Shooter“-Rückraum wurde eine Viereraufbaureihe mit zwei Spielmachern, einem Torjäger und einem Kreisläufer mit für den Gegner unkalkulierbaren Übergang in die Nahwurfzone. Die Zügel hatten dabei zwei 18-Jährige in der Hand. Neben Edin Fitozovic der ganz frische Denny Bikic.
Nervösität beim Youngster ob der enormen Verantwortung? Fehlanzeige. „Ich hatte viel zu viel Lust endlich einzugreifen“, erklärte der flinke Schüler, dem durchaus die Tendenz zu „verrückten Sachen“ auf dem Feld nachgesagt wird. Davon diesmal keine Spur. Denn: „In einer solchen Situation muss man schon das machen, was der Trainer sagt.“
Der Ex-Melsunger machte genau das. Das Spiel schnell, um Räume für die abschlussstarken Vince Schmidt und Julian Damm zu öffnen, die dann in der einseitigen Schlussphase auch verlässlich trafen. Das 21:23 erzielte das deutsch-bosnische Talent selbst. Eine Verrücktheit, die angesichts von 18:0-Punkten gar nicht so verrückt daher kommt, leistete sich der Mittelmann dann doch. Sein „Traum“: der Aufstieg in die 3. Liga, um dann dort, im Schaufenster für noch höhere Aufgaben, bei den Edertalern die Fäden zu ziehen .
Ansonsten war trotz dieses markanten Zeichens an die schon etwas abgehängte Konkurrenz Zurückhaltung, ja Demut, angesagt. Ben Backhaus etwa sieht die Mannschaft „auf einem guten Weg“. Auch weil der Neuzugang immer mehr ins Angriffsspiel der Edertaler einbezogen wird.
„Unser Spiel ist flüssiger und breiter geworden, so dass ich immer mehr Bälle bekomme“, sagt der Rechtsaußen. Der entpuppte sich als dankbarer Abnehmer, leitete nach dem 4:7-Rückstand (14.) mit seinen Toren die Wende ein und riss dabei auch seine Nebenleute mit.
So hatte der Triumph beim Verfolger durchaus mehrere Väter bzw. Söhne. Das gefiel natürlich dem Trainer. Weniger „die Wellen in unserem Spiel“, so dass Fynn Welch trotz des in der (kalten) Hans-Jürgen Portmann Halle versprühten Glanzes beim Leistungsvermögen seiner Mannschaft noch viel Luft nach oben sieht.
Von Dominanz a la Münster in der letzten Saison will er nichts wissen: „Wir brauchen in jedem Spiel die entsprechende Einstellung, um dann unsere spielerischen Möglichkeiten auch abzurufen.“
Das gilt besonders für die kommenden beiden Partien. Zwei Derbys (Sa. gegen Körle/Guxhagen, am 6. Dezember bei Eintracht Baunatal), in denen der souveräne Spitzenreiter natürlich Favorit ist, was aber in solchen Duellen bekanntermaßen nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Der Nachbar machte es beim überraschenden 28:27 gegen Baunatal vor und reist nun voller Vorfreude, hochmotivert und ohne Druck an. Und mit der leisen Hoffnung auf einen zweiten Streich.
Quelle: HNA Homepage